Honig ist unbezahlbar

Wenn das Wort Biene fällt, dann denke ich als erstes an den Honig

Wenn das Wort Biene fällt, dann denke ich als Erstes an den Honig so wie bei der Kuh an die Milch. Das läuft ganz unterbewusst ab und ich denke, da bin ich nicht der Einzige. Die Gewohnheit bringt zudem gewisse Redensarten mit sich, wie „Kühe geben Milch“. Aber ist das wirklich so? Oder wäre es treffender zuzugeben, dass wir uns die Milch nehmen, die ursprünglich nicht für uns gedacht war, sondern für das Kälbchen, das jedoch nicht in den Genuss kommt, weil es kurz nach der Geburt bereits von seiner Mutter getrennt wird, damit es nicht die Milch trinkt, auf die wir es abgesehen haben?

Zurück zu den Bienen müssen wir einsehen, dass es ursprünglich nicht die Motivation der Bienen war, von Blüte zu Blüte zu fliegen, um mir den Honig für mein Frühstücksbrötchen zu sammeln. Dies tun die Bienen nämlich eigentlich für ihre Eigenversorgung und ihre Nachkommen und um einen Wintervorrat anzulegen, der ihr Überleben in den nächsten Frühling sichert.

Hin und wieder wird erwähnt oder sogar damit geworben, wie weit die Bienen in Summe fliegen müssen, um ein Glas Honig zusammenzutragen. Die Angaben variieren, liefern aber immer beeindruckende Zahlen, wie zum Beispiel „einmal um die Erde“, was einer Strecke von rund 40.000 Kilometern entspricht. An dieser Stelle bekommen wir eine Ahnung davon, wie wertvoll Honig eigentlich ist und könnten uns fragen, ob dieser Hinweis zum Honig wirklich verkaufsfördernd wirkt. Denn denken wir ein wenig darüber nach, könnte der Verdacht entstehen, dass es sich um eine sehr kostbare Substanz handelt. Aber Honig steht offensichtlich in so großen Mengen zur Verfügung, dass wir nicht einmal davor zurückschrecken, ihn in fürchterlich praktische Plastiktuben zu füllen. Das führt dazu, dass Honig neben seinem Einsatz als Heilmittel auch als Zuckerersatz verwendet wird, zum Beispiel zum Backen. Das liegt insofern nahe, weil das Image von Honig viel besser ist als das des Zuckers, so viele gesunde Eigenschaften sagen wir dem Honig nach und wir können davon ausgehen, dass das zum Teil sogar stimmt. Witziger Weise war es ursprünglich aber genau umgekehrt: Die Herstellung von Zucker ermöglichte den Ersatz von Honig, der einst das einzige Süßungsmittel darstellte, aber rar und dementsprechend teuer war. Heute ermöglicht die industrielle Herstellung von Honig den Ersatz von Zucker. Wenn wir jedoch beispielsweise den Zucker in unserem Kuchen durch Honig ersetzen, sind wir dem Zucker damit nur indirekt aus dem Weg gegangen. Wir verlagern den Zucker dadurch lediglich ins Bienenvolk, weil der Imker seine Bienen nach der Honigernte mit Zuckerwasser füttern muss, damit diese den Winter überleben. Jetzt versuchen wir uns vorzustellen, wie es uns gehen würde, wenn wir von Oktober bis März im dunklen kalten Bienenstock nach all der Arbeit im Sommer nur Zuckerwasser essen müssten. Würde uns das gut tun?

Woher kommt so viel Honig?

Ein Bienenvolk kann rund 30 Kilogramm Honig im Jahr sammeln. Um an eine solch große Menge Honig zu kommen, muss natürlich ein entsprechendes Blütenangebot zur Verfügung stehen. Dazu eignen sich hervorragend Monokulturen, die der Imker gezielt aufsucht, indem er seine Bienen beispielweise an den Raps stellt. Während die Bienen nun fleißig Honig auf feindlichem Gebiet sammeln, hat der Imker Zeit gegen Monsanto und Co. zu demonstrieren, denn die industrielle Landwirtschaft kommt für gewöhnlich nicht ohne Pestizide aus. Naheliegender wäre natürlich, der Imker würde seine Bienen vor Pestiziden schützen, indem er sie von solchen Monokulturen fern hält. Aber dann wäre die Ausbeute pro Bienenvolk für gewöhnlich geringer und das Blütenangebot würde nur für wenige Völker reichen, wohingegen am Rapsfeld ohne weiteres zwanzig oder dreißig Völker nebeneinander jeweils entsprechende Honigmengen produzieren können. Wenn wir bedenken, dass Bienenvölker von Natur aus eigentlich nicht auf so engem Raum leben würden, sondern eher ein Volk pro Quadratkilometer oder weniger, dann wäre es nicht vermessen zu behaupten, dass es sich hierbei um eine Massentierhaltung handelt, oder? Hinzu kommt die Tatsache, dass ein Bienenvolk, was zur Honigproduktion gepflegt wird, viel mehr Honig sammelt als es selbst für den Winter benötigen würde. Dementsprechend muss das Volk animiert werden, mehr Honig zu sammeln. Dies erreicht der Imker, indem er fortwährend das Platzangebot im Bienenkasten mit leeren Waben vergrößert, wodurch der Eindruck entsteht, dass der Vorratsraum für den Winter noch nicht gefüllt ist. Zwischendurch wird dann Honig entnommen und dieser Platz wieder mit leeren Waben versehen, um die Bienen an der Arbeit zu halten. Somit muten wir den Bienen mehr Arbeit zu, als sie eigentlich hätten, wenn sie nur ihren normalen Winterbedarf decken würden.

Wieviel ist Honig wirklich wert?

Ich denke, die eingangs erwähnte Arbeitsleistung, ausgedrückt in Flugkilometern, ist nur ein Aspekt in dieser Frage. Vielleicht müsste die Frage präziser lauten: Wieviel ist Honig wert, der ohne Massentierhaltung und Monokultur Seite an Seite mit den Bienen entsteht, ohne dass wir sie dabei zu sehr schwächen. Wäre das der Fall, müssten die Völker einzeln und weit verteilt aufgestellt werden. Auf eine Wanderung zu Monokulturen würden wir zum Schutz der Bienen verzichten und unnötige Eingriffe, wie z. B. die Vergrößerung des Bienenstockes usw. unterlassen. Zudem wären die Völker viel kleiner, hätten also weniger Individuen und somit weniger Arbeitskraft als ein Hochleistungswirtschaftsvolk. Diesem Volk würden wir nur so viel Honig entnehmen, dass es selbst noch genug für den Winter behält. Je nach Wetter und der Entwicklung der Völker reicht es aber regelmäßig gerade einmal für das Volk selbst. Zudem kann es ohne entsprechendes Zutun des Imkers mehrere Jahre dauern, bevor ein neues Bienenvolk unter idealen Voraussetzungen aus Wetter und Vegetation Honig „übrig“ hat. Gehen wir also davon aus, dass wir fünf Völker pflegen und nach zwei schlechten Jahren, im dritten Jahr jeweils zwei Völkern 250 Gramm Honig entnehmen, mit denen wir ein handelsübliches Honigglas (500 Gramm) füllen können, welchen Wert hätte dieser Honig?

Richtig, darüber mache ich mir keine Gedanken, denn er ist unverkäuflich, ich behalte ihn lieber selbst.

Möchte ich nach all dem, was ich gelesen habe, noch Honig essen?

Diese Frage kann natürlich nur jeder für sich selbst beantworten. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist vielleicht auf Honig zurückzugreifen, der aus wesensgemäßer Bienenhaltung stammt und somit deutlich bienenverträglicher produziert wurde. Aber eines bleibt unverrückbar: Honig ist sehr kostbar und wenn wir einen bienenverträglichen Honig kaufen wollen, dann zahlen wir einen hohen Preis – andernfalls tun das die Bienen.

Zurück zu:

Wilde Seiten