Grooming und Washboarding – neue Namen für uralte Bienentätigkeiten

Als ich zum ersten mal von Washboarding und später dann auch von Grooming gehört und gelesen hatte, war ich aufgrund der zunächst neu und fremd klingenden Begrifflichkeiten zunächst erst einmal skeptisch und zurückhaltend. Was hatten die Bienenforscher hier wohl wieder Neues „erfunden“? Ich beschäftigte mich näher mit dem Thema und fand heraus, dass es sich weder um Neuerfindungen der Bienenforscher, noch um Neuerfindungen der Honigbienen selbst, sondern um uralte Bienentätigkeiten mit neuem Namen handelte. Washboarding – das Reinigen, Imprägnieren und Markieren von Oberflächen der Bienenbehausung und Grooming – die gegenseitige Körperpflege unter Bienen, um sich u.a. lästiger Parasiten zu befreien. Diese Grundtätigkeiten aus dem Verhaltensrepertoire der Honigbienen schienen offensichtlich bisher noch nicht in der Tiefe beobachtet oder zumindest in Vergessenheit geraten zu sein, aber warum?
Beide Verhaltensweisen, so fanden die Forscher heraus, zeigen sich verstärkt bei wild lebenden und extensiv bzw. nicht beimkerten Bienenvölkern. Diese Bienenvölker haben offensichtlich die notwendige „Freizeit“ sprich freien Kapazitäten zur Ausführung dieser überlebensnotwendigen Putztätigkeiten. Umgekehrt ließe sich daraus schließen, dass beimkerten Bienenvölkern, die diese Verhaltensweisen im Schnitt weniger zeigen, diese freien Kapazitäten fehlen. Ich fühlte mich nach dieser Erkenntnis einen Schritt weit in meiner Vermutung gestärkt, dass wir in der herkömmlichen Imkerei die sprichwörtliche Leistungsfähigkeit unser „fleißigen Bienchen“ überbeanspruchen.
Wir sind mittlerweile vom Wissensstand her an einem Punkt angekommen, an dem diese Überbeanspruchung der Honigbienen auf der Hand liegt. Jeder Eingriff am Bienenvolk ist einer zu viel und stellt eine Störung dar, die mit Zeit- und Energieaufwand ausgeglichen werden muss. Allein nach dem Öffnen einer Bienenbeute, noch mehr nach der Entnahme von Wabenrähmchen im Mobilbau, ist die ausgeklügelte Klimatisierung gestört und muss von den Bienen neu justiert werden. Werden vom Imker Propolisbeschichtungen entfernt, so müssen die Bienen diese aufwändigst wieder nacharbeiten, denn ihre Gesundheit hängt hiervon ab. Das Herausschneiden von Drohnen, zur Eindämmung der Varroamilbe gedacht, vernichtet Unmengen an Energie und Arbeitsstunden, die die Bienen hoffnungsvoll in deren Fortpflanzung investiert haben, das Herausbrechen von Weiselzellen der heranwachsenden Jungköniginnen nicht minder. Honigernten im zweistelligen Kilogramm-Bereich je Honigbienenvolk gehen mit Unmengen von „Überstunden“ der Bienen einher, denn sie selbst würden in ihrer gut wärmegedämmten Wohnhöhle mit wenigen Kilogramm Honigvorrat gut über den Winter kommen. Den Winter, den sie noch zu oft in schlecht wärmegedämmten Bienenbeuten „durchheizen“ müssen. Wir Menschen hätten uns längst mit der Diagnose Burnout krank gemeldet.
Jeder kann sich -wenn er möchte- die Liste der Dinge, die die Honigbienen überbeanspruchen, für sich selbst ergänzen – vieles liegt mittlerweile auf der Hand. Wir möchten es an dieser Stelle nicht tun. Denn es liegt uns fern, diese imkerlichen Arbeiten, die auch uns als die gute imkerliche Praxis vermittelt wurden, zu verteufeln. Wer Honig ernten oder essen möchte, der kommt um einen gewissen Grad die Bienen zu beanspruchen nicht umhin. Und wer viel Honig ernten möchte, der bringt die Honigbienen ab einem gewissen Punkt an ihre Leistungsgrenze. Und wie bei den Menschen so wird auch bei den Bienen diese Leistungsgrenze zu oft überschritten. Es ist uns ein Anliegen aufzuzeigen, an welchen Stellschrauben wir unseren Umgang mit den Bienen verändern können, um diese zu entlasten und ihre eigenen Fähigkeiten und Abwehrkräfte zu stärken. Möglichkeiten hierzu gibt es viele, Anregungen geben wir in unseren Wilden Seiten. Oft ist es schon gut, mit einer Veränderung zu starten, weitere können folgen. Man muss für eine Richtungsänderung nicht direkt zum Zeidler werden. Welche Rückschlüsse Sie als Leser nach dem Verständnis der Zusammenhänge hieraus ziehen, sei jedoch jedem Einzelnen selbst überlassen. Denn jeder Einzelne muss aus einer eigenen inneren Erkenntnis heraus seinen Weg mit den Bienen finden.
Washboarding und Grooming dienen der Gesunderhaltung der Bienen und diese alten Bienenhausmittel scheinen auch als wichtige Bausteine zur Lösung der Varroa-Problematik in Frage zu kommen. Bausteine wohlgemerkt, nicht Allheilmittel! Vermutlich denken wir nun Vielen zu einfach, aber warum lassen wir die Bienen sich die Varroamilben nicht einfach selbst vom Pelz putzen? Die notwendigen Fähigkeiten hierfür scheinen sie zu besitzen. In diesem Falle benötigen sie hierfür nur die erforderliche (Frei-)Zeit. Geben wir sie ihnen. Weniger Arbeiten – mehr Putzen!
Externe Links zum Thema
James F. Taulman, Honey bees „washboarding“, www.youtube.com, 09/2016
Roland Sachs, Social Grooming der Bienen, www.chelifer.de
Torben Schiffer, Groomingforschung, www.beenature-project.com
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